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Wie man mit IamDiÖ Sprache in Österreich erforschen kann
Sprachforschung ist ein überraschend kontroverses Thema. Das merken wir nicht nur, wenn wir auf Wissenschaftsevents mit Besucher*innen sprechen, sondern auch, wenn - so wie vor kurzem - ein Interview mit IamDiÖ bzw. zu Citizen Science in der Linguistik veröffentlicht wird und der elektronische Posteingang unseres Projekts anschließend fast überquillt.
Die Nachrichten, die wir erhalten, sind Interessenbekundungen am Projekt und am Thema, neue Fragen des Monats, aber auch Kritik. Wieso Citizen Science? Was ist und soll das überhaupt? Und warum dann ausgerechnet auch noch Namen auf Englisch, wenn wir doch zu Deutsch in Österreich forschen?
Lauter tolle Fragen. Ehrlich! Es freut uns immer, wenn wir Interesse wecken können und kritische Fragen gestellt bekommen – und noch mehr, wenn wir viele gute Antworten darauf parat haben. Also:
Was ist IamDiÖ? Was ist Citizen Science?
IamDiÖ - Erforsche Deutsch in Österreich! ist der neue Name des Citizen Science-Projekts des SFB Deutsch in Österreich. Ja, der Kurzname IamDiÖ spielt mit dem Englischen (übersetzt: „Ich bin Deutsch in Österreich“), entstammt jedoch dem alten Projektnamen „In aller Munde und aller Köpfe - Deutsch in Österreich“.
Und Citizen Science? Bezeichnet den Bereich der Wissenschaften, bei dem die Beteiligung an oder auch die gänzliche Durchführung von Forschungsprojekten durch Lai*innen im Vordergrund steht. Man könnte auch „Bürger*innenwissenschaft“ sagen.1
Uns interessiert, was die Allgemeinheit interessiert. Wir bieten verschiedene Möglichkeiten an, sich an der Sprachforschung in Österreich zu beteiligen und arbeiten gerade an neuen Tools - ja, schon wieder ein scheinbar englisches Wort!2 -, um Bürger*innen in die Forschung einzubinden.
Als Citizen Science-Projekt forschen wir also nicht direkt selbst, sondern versuchen, interessierte Citizens – also Bürger*innen – dazu zu motivieren, selbst Forschung zu betreiben. Dabei unterstützen wir sie, so gut wir können.
Was hat die Wissenschaft davon – und was die Teilnehmenden?
Eine ganze Menge! Auch wenn man das vielleicht nicht auf den ersten Blick erkennt.
Für uns gelten Sprecher*innen des Deutschen in Österreich als Expert*innen. Sie wissen am besten, wie sie wann mit wem sprechen – und genau daran ist auch die Forschung des Hauptprojekts, dem Spezialforschungsbereich „Deutsch in Österreich. Variation - Kontakt - Perzeption“ (kurz: SFB DiÖ) interessiert. Die Daten, die von Teilnehmenden unserer Mitmachaktionen (so nennen wir die von uns angeleiteten Forschungsprojekte) gesammelt werden, fließen so auch in die sprachwissenschaftliche Grundlagenforschung mit ein.
Wunderbar, Bürger*innen bereichern die Forschung(sergebnisse)! Aber Moment. Wie erfahren diese von aktuellen Forschungsprojekten und wieso sollten sie sich überhaupt beteiligen? Hier kommen wir, das Citizen Science-Projekt, ins Spiel.
Wir bemühen uns darum, Wissenschaft (be)greifbar zu machen. Wir entwickeln (Unterrichts)Materialien, sind auf Wissenschafts(vermittlungs)events vertreten, schreiben Blogs – so wie diesen hier – und laden zum Mitforschen ein. So machen wir (Sprach)Forschung und ihre Erkenntnisse für die Öffentlichkeit zugänglich und leichter verständlich.
Doch nicht nur das. Teil unserer Arbeit ist es auch, der Wissenschaft die Anliegen und Interessen der Gesellschaft zu vermitteln. Das ist ganz wesentlich, denn – jetzt geht es um einen weiteren englischen Begriff – Third Mission zählt zu einer wichtigen Aufgabe (mission) des Wissenschaftsbetriebs.
Sehr grob definiert, beschreibt Third Mission, dass Universitäten neben der Aufgabe Menschen auszubilden (First Mission) und Wissen zu generieren (Second Mission) noch eine weiter Aufgabe haben3: dieses Wissen mit der Gesellschaft, in der sie eingebettet sind, aktiv zu teilen und auf aktuelle und gesellschaftlich relevante Themen einzugehen. Durch die Third Mission soll die Gesellschaft noch stärker von der Arbeit der Universitäten profitieren, denn sie übernehmen bewusst und aktiv „Verantwortung für die Gesellschaft, in deren Auftrag sie arbeiten“4.
In dem wir aktuelle Forschungsergebnisse mit Bürger*innen teilen und sie einladen, Citizen Scientists zu werden und gemeinsam mit uns zu forschen, erfahren wir auch, welche Themen für sie, und damit die Gesellschaft relevant und interessant sind. Diese Themen geben wir an die Wissenschafter*innen des Hauptprojekts weiter, damit diese wiederum ihrer Third Mission nachkommen können.
Im besten Fall ist Citizen Science es also ein stetiger Austausch.
Und jetzt noch konkret: das macht IamDiÖ
Wer sich also für Deutsch in Österreich interessiert, dem Thema aber nicht hauptberuflich nachgehen will, hat verschiedene Möglichkeiten bei uns mitzuforschen und das eigene Wissen zu erweitern.
Am niederschwelligsten und unverbindlichsten ist wohl unser Newsfeed (irgendwie kommen wir von den Englischen Ausdrücken einfach nicht weg …). Über unsere Social-Media-Kanäle (Facebook, Twitter) teilen wir regelmäßig aktuelle, sprachwissenschaftliche Themen sowie Wissenswertes zu Citizen Science und anderen spannenden (sprachwissenschaftlichen) Forschungsprojekten. Auf Facebook lassen wir „unsere Citizens“ auch über die Frage des Monats abstimmen. Die Frage des Monats ist eigentlich einen eigenen Blogbeitrag wert (werden wir noch nachholen), deshalb nur ganz kurz: interessierte Bürger*innen reichen Fragen zu Deutsch in Österreich und Sprachforschung ein und stimmen dann ab, welche der Fragen von den Wissenschafter*innen des Hauptprojekts beantwortet werden sollen. Die Antworten findet man auf unserer Webseite und immer öfter auch einfach durch eine Google-Suche.
Wir existieren aber nicht nur in der digitalen Welt! Auch wenn wir uns aufgrund der aktuellen COVID-19-Situation dorthin zurückgezogen haben. Wie alle, hoffen auch wir auf eine Verbesserung der Lage, sodass wieder persönliche Treffen möglich sind . Dann werden wir auch wieder auf Wissenschafts(vermittlungs)events vertreten sein und uns mit interessierten Einzelpersonen und Schulklassen bei einer Schnitzeljagd durch die Sprachlandschaft Österreichs persönlich austauschen. Bis dahin haben wir natürlich weiterhin Aktionen im digitalen Raum geplant.
Dazu zählt auch unser sogenanntes Lexik-Tool: eine Online-Plattform, mit der eigene Wörterbücher erstellt werden können, z.B. ein Klassenwörterbuch, ein Jugendwörterbuch, ein Wörterbuch nur für den Freundeskreis oder speziell für den eigenen Ort.
Denn in unserer zweiten Projektphase legen wir unseren Fokus auf Lexik - also auf Wörter und den Wortschatz des Deutschen in Österreichs. Aus der ersten Projektphase wissen wir nämlich: Es herrscht unter den Citizens ein besonders großes Interesse an Wörtern: Welche Wörter unterscheiden verschiedene Regionen? Woher kommen diese Wörter? Wann verwendet man welches Wort? Warum verwenden wir verschiedene Wörter für dieselbe Sache? Und so weiter und so fort. Dabei betreffen diese Fragen sowohl standardsprachliche, als auch dialektale Wörter und eben alles, was dazwischen liegt.
Durch das Lexik-Tool bieten wir so auch Sprach- und Dialektvereinen, die oft schon jahrelang eigene Wörterbücher schreiben, die Möglichkeit, ihr Wörterbuch zu digitalisieren und anderen zur Verfügung zu stellen.
Im Frühling nehmen wir dann zum zweiten Mal am Citizen Science Award 2021 teil. Da wird unser Lexik-Tool großteils fertig sein und teilnehmende Schulklassen und Einzelpersonen können als Erste unser neues online Lexik-Tool nutzen.
Das gesamte Jahr über werden wir natürlich weiter an der Beantwortung von Fragen arbeiten und auch Meme-Wettbewerbe wird es regelmäßig geben.
Apropos ständiger Austausch : Für das beste Meme kriegen unsere Citizen Scientists etwas von uns. Wir vergeben ein exklusives rotes IamDiÖ-Häferl an den*die Gewinner*in unseres aktuellen Meme-Wettbewerbs!
Wir wünschen euch ein gesundes und erfolgreiches Jahr 2021!
1 Weil in der (internationalen) Wissenschaftsgemeinde oder scientific community aber die englische Bezeichnung vorherrschend ist, verwenden auch wir sie. Denn wir wollen von anderen Citizen Science-Projekten auch als solches erkannt werden, damit wir uns mit anderen Projekten austauschen und voneinander lernen können.
2 “Tool” kann man aber bereits als Lehnwort bezeichnen, also ein Wort, dass zwar aus einer anderen Sprache stammt, aber eben inzwischen zum Wortschatz des Deutschen zu zählen ist. So lässt es sich bspw. im Online-Duden finden und zwar als Begriff aus der EDV. Ein “Tool” bezeichnet ein digitales Werkzeug.
4 Third Mission: Universität Wien https://thirdmission.univie.ac.at/
Rebecca Stocker und Esther Topitz sind Mitarbeiterinnen des Citizen Science-Projekts IamDiÖ - Erforsche Deutsch in Österreich!.
In: DiÖ-Online.
URL: https://www.dioe.at/artikel/2702
[Zugriff: 22.12.2024]