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„Über Handwerk und Feuer“ - Was ein Informatiker in einem Sprachwissenschaftsprojekt eigentlich so tut
Begonnen hat alles mit der Entscheidung neben dem Studium ein bisschen Praxis zu sammeln. Der Gedanke ist ja klar: Auf der Universität bekommt man die theoretischen Werkzeuge, um diese auf praktische Probleme anwenden zu können. Und hier kommt der SFB „Deutsch in Österreich“ ins Spiel. Auf den ersten Blick wirkt das nicht wie der „klassische Anfang“ einer Karriere als Informatiker, aber am Besten beginne ich damit zu erklären, wie ich überhaupt hierher gekommen bin und was ich nun eigentlich mache.
Neue Umgebung, neue Welt
Anfang 2020 befand ich mich in einer neuen Situation. Der Abschluss meines Bachelorstudiums rückte immer mehr in die Nähe und ich wollte deswegen Erfahrung in der Arbeitswelt sammeln. Nach ein wenig Herumfragen in meinem Freundeskreis fand ich meinen Weg zum SFB und es ging dann auch schon los. Es war Anfang März und zu dieser Zeit konnte noch niemand ahnen, wie sehr sich die Welt noch verändern würde. Innerhalb von einigen wenigen Wochen wurden Meetings nur noch online abgehalten und Home Office wurde zum Standard. Anfangs war meine zentrale Aufgabe die Verwaltung der IT-Struktur des SFB als Administrator. Generell lässt sich das mit einer Mischung aus Hausverwaltung und Feuerwehr vergleichen. Die Hausverwaltung kümmert sich sozusagen darum, dass alles im Haus funktioniert und sauber ist. Während die Feuerwehr bei einem Notfall gerufen wird, um z.B. einen Brand zu löschen. Um den Bogen wieder zurück zur IT zu spannen, wäre eine klassische Aufgabe bei der Hausverwaltung das Aufsetzen eines neues Tools. Während das Beheben eines Serverausfalls als Beispiel für eine Feuerwehraufgabe gesehen werden kann.
Jedoch gibt es (offensichtlich) einige große Unterschiede zur Arbeit als Entwickler. Einerseits passiert meine Arbeit zu 100% am Schreibtisch vor dem Computer. Andererseits haben Programme und Tools in der IT die Tendenz, Eigenheiten und Besonderheiten zu haben, die oft auf den ersten Blick nicht sichtbar sind und im Laufe der Zeit einen Haufen an Kopfschmerzen verursachen.
Eines meiner Lieblingsbeispiele ist das Schälen einer Karotte. Der Schäler ist das Werkzeug dafür und stellt dabei ein bestimmtes Tool dar. Das Schälen selbst ist dabei die Aufgabe und eine geschälte Karotte ist das Ergebnis. Klingt auf den ersten Blick einfach? Ich wünsche mir manchmal, es wäre so einfach. In der IT kommt es dagegen oft genug vor, dass der Schäler mehrere Versionen veraltet ist und deswegen die Karotte nicht mehr schälen kann. Also muss ein neuer Schäler her, der womöglich genau die gleiche Funktion erfüllt, aber dafür komplett anders gestaltet ist. Daneben ist der Griff nur für eine ganz bestimmte Handform gedacht und kann dadurch nicht von jeder*m verwendet werden. Und zuletzt kommt dann nach dem ganzen Hin und Her eine (halbwegs) geschälte Karotte raus – aber eigentlich war gewollt, dass ein Erdapfel (bzw. eine Kartoffel) geschält werden soll.
Das Haus brennt – Was nun?
Als ich diese Überschrift geschrieben habe, hatte ich ein sehr genaues Bild im Kopf. E-Mails, Nachrichten und Anrufe, dass alles brennt, nichts funktioniert, warum es passiert ist und wann es vorbei ist. Manchmal gibt es einen Vollbrand, wo wirklich nichts funktioniert, und in anderen Fällen funktioniert nur der Lift oder ein Schalter, also ein einzelnes Tool bzw. Programm, nicht. Trotzdem bin ich in beiden Fällen gefragt, um die Probleme (so schnell wie möglich) zu lösen. Manchmal sind die Lösungen einfach und dauern nur ein paar Minuten und manchmal können es Stunden oder Tage sein, wo auch die eine oder andere Nachtschicht dabei ist.
Um Python zu verstehen, muss man kein Zoologe sein
Wie bereits die Zwischenüberschrift verrät, gibt es in der IT einige Dinge, die den Namen mit anderen Dingen auf der Welt teilen. Zum Beispiel wären das die Programmiersprachen Python und Java, welche in der IT nichts mit Schlangen oder einer indonesischen Insel zu tun haben. Dies führt mich auch zu dem zweiten Bereich meiner Arbeit.
Dieser mittlerweile größere Bereich ist das Entwickeln eines Sprachatlas, um die Sprachdaten der einzelnen Teilprojekte interaktiv auf einer Karte darzustellen. Das Entwickeln von Software kann mit einem Handwerk verglichen werden. Es gibt Abläufe und Muster, welche immer wieder in einer mehr oder weniger ähnlichen Art vorkommen. Mithilfe von Programmiersprachen werden die Anweisungen an den Computer formuliert. Diese Sprachen haben (wie echten Sprachen) eine gewisse Syntax und Grammatik, welche eingehalten werden muss, damit die Anweisungen dann weiterverarbeitet werden können. Es gibt auch Bibliotheken mit bereits vordefinierten Funktionen, welche weiter eingebunden werden können. Hier muss sozusagen das Rad nicht immer neu erfunden werden, stattdessen können bereits bestehende Lösungen verwendet werden, um etwas Arbeit abzunehmen.
Daneben besteht der Entwickleralltag auch darin, unvorhergesehene Probleme, welche oft genug vorkommen, zu lösen. Auch dafür ist der Karottenschäler ein gutes Beispiel, da sich besonders in der aktuellen Zeit Software sehr schnell ändert und so im Laufe der Entwicklung auf gewisse Änderungen eingegangen werden muss.
Eine interaktive Karte
Abschließend möchte ich noch ein wenig über den Sprachatlas erzählen. Am Ende der Entwicklung soll hier eine webbasierte Applikation vorhanden sein, welche es möglich macht, die bestehenden SFB-Daten auf einer Karte in verschiedensten Arten darzustellen. Ein gutes Beispiel hierfür ist der Vergleich des Wortes „Tomate“ bzw. „Paradeiser“ in Österreich. Durch das Kartentool wird es dann möglich sein zu vergleichen, wo was gesprochen wird und wie sich das auch anhört. Dieser einzelne Anwendungsfall ist natürlich einfach gehalten und im Laufe der Zeit wird das Tool mit komplexeren Funktionen ergänzt, um eine bessere Auswertung der vorhandenen Sprachdaten zu ermöglichen.
Während ich meinen Hausverwaltungsaufgaben nachgehe, hoffe ich, dass nicht zu viele Brände zu löschen sind. Denn für mich macht die Arbeit in einem sprachwissenschaftlichen Projekt viel Spaß und es gibt jeden Tag neue spannende Herausforderungen.
In: DiÖ-Online.
URL: https://www.dioe.at/artikel/3134
[Zugriff: 22.11.2024]